Oft tauchte Medard Kehl in die Lebensgemeinschaft der "ARCHE" ein...
Bilder und längere Texte bitte über die MailAdresse: admin@medard-kehl-in-memoriam.de

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Stephan Struve hat Medard Kehl 1985 über die Arche kennengelernt. Heute lebt er in Berlin und schreibt:


Lieber Stefan,

Deine Seite hat mich erreicht und ich bin sehr froh zu lesen, dass es so viele Menschen gibt, die über sein Sterben hinaus mit Medard verbunden sind. Ich habe das ja ansich immer gewusst, aber mit Deiner Seite, auch wenn sie noch nicht viele Beiträge hat, wird das doch sehr spürbar.
Mir fällt es allerdings schwer, mich den Kategorien wirklich zuordnen, die Du Medards Umfeld zugedacht hast - am ehesten passt mein Bericht vielleicht zur Arche.
Es war nämlich im Sommer 1985, ich war 14, als meine Cousine, die 15 Jahre älter ist als ich und bis heute aktiv im Arche-Zusammenhang, mich mit in die Schweiz auf ein Katimavik nahm. Katimaviks sind Begegnungs-feste, die in den Arche-Zusammenhängen begangen werden, auf denen behinderte Menschen und nicht behinderte Menschen zusammen feiern.
Damals war ich ab und zu Besucher eines Katimaviks, aber dieses eine Katimavik in der Schweiz war für mich mit den intensivsten Begegnungen verbunden - nämlich meiner ersten Begegnung mit Medard. Wir wurden einander vorgestellt, weil wir beide damals in Frankfurt lebten, und wir haben uns auf Anhieb prima verstanden.

Freilich konnte ich mir zunächst diesen doch recht seltenen Namen „Medard“ nicht einprägen, und so sprach ich in den ersten Wochen immer (etwas frech und mit Augenzwinkern) von dem "Mann mit der Glatze und den langen Haaren".
Aber unsere Freundschaft sollte mehr Tiefe bekommen und über 2-3 Jahre war es so, dass ich Medard in Frankfurt alle 14 Tage am Wochenende besuchte. Immer an den Wochenenden, an denen Medard im Theresien-heim die Messe las und hinterher zum Mittagessen dort blieb. Da nahm er mich immer mit hin (also könnte meine Geschichte auch gut in den Abschnitt "Kinder- und Jugendarbeit" passen)... Die Begegnungen mit den damals mehr oder weniger gleichaltrigen Kindern im Theresienheim hat mich immer sehr berührt, der ich selber aus eher bürgerlichen und "heilen" Familienverhältnissen stamme.

Es gibt noch eine wunderbare Geschichte aus dieser Zeit , die mir nie aus dem Sinn geht und für die ich Medard sehr dankbar bin: Bei der erste Messe, die ich mit Medard im Theresienheim erlebt habe, bin ich als getaufter Protestant, der ich bin, brav in meiner Bank sitzen geblieben, als die Kommunion ausgeteilt wurde. Hinterher fragte Medard mich, warum ich sitzengeblieben sei und ich antworten wahrheitsgemäß, "weil ich doch evangelisch bin". Da wurde Medard fast ein bisschen böse, oder zumindest sehr bestimmend und meinte "so ein Kokolores, Du hast den rechten Glauben, das weiß ich - Du kommst gefälligst ab sofort immer mit zur Kommunion".... Das war für mich DIE Einladung meines Lebens! Ich nenne mich schon lange nicht mehr Protestant - ich nenne mich Christ... und als Christ darf ich zum Abendmahl gehen, bin ich an den Tisch des Herren geladen, genauso wie seinerzeit die Huren, die Zöllner und das ganze Volk, das Jesus nachfolgte. Dafür hat mir Medard die Augen geöffnet und ich habe seither nie wieder gefragt, ob ich irgendwo zur Kommunion gehen dürfte: Medard hat es mir erlaubt! Und Medard war ein weiser Mann, der nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen dachte!

Zum anderen war Medard einige Jahre später einer der ersten Menschen, denen ich davon berichtete, dass ich Männer liebe. Ich hatte große Angst vor diesem „Outing“.  Seine Reaktion, ich weiß es bis heute, war "ich bedanke mich für Dein Vertrauen, lieber Stephan"... Im Weiteren hat er dann sicherlich über die Jahre auch einiges an meinem "schwulen Lebensstil" hinterfragt und somit hatte ich in ihm stets jemanden zur Seite, der mich annahm, wie ich bin, aber aus dem Glauben heraus auch Fragen stellte, mit denen ich mich auseinandersetzen musste und wollte. Das war oft sehr wegweisend für mich.

Mit Anfang 20 ging ich dann nach Hamburg und später nach Berlin. Somit wurden auch meine Begegnungen mit Medard seltener. Aber immer waren es schöne und tiefgehende Gespräche, die wir in den Begegnungen, vielleicht 1-2 mal im Jahr führten.

Die letzten Monate seines Lebens lebten wir dann wieder in derselben Stadt, in Berlin, wo ich ihn leider nicht mehr allzu oft treffen konnte, da es sowohl durch Corona erschwert wurde als auch durch seine gesundheitliche Verfassung.

Ich bin dankbar, dass Medard mich in meinem Leben geprägt hat, so wie sicherlich viele Menschen, die hier noch etwas schreiben werden.

Gott sei Dank durfte ich ihn kennen.

Vielen Dank für Deine Initiative dieser Webseite und herzliche Grüße aus Berlin
Stephan Struve 

Die beiden folgenden Bilder sind ebenfalls von Stephan Struve....